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Impulse

Vollständiger Artikel zum Jakobsweg in der ökumenischen Beilage der Impulse

Bedeutung des Jakobsweges

Was ist der Jakobsweg? – Ich finde auf diese Frage keine einfache, schnelle Antwort.

„Ich war auf dem Jakobsweg.“ Wer das sagt, meint es in der Regel geographisch, meint einen ganz konkreten, mit der Muschel markierten Weg, den er Schritt für Schritt gegangen ist. Aber gibt es den Jakobsweg? Die Liste der Jakobswege in ganz Europa ist mittlerweile lang geworden. Zu Recht, denn fast jeder alte Weg, jede Reichsstraße konnte ein Weg auf St. Jakobs Straß Richtung Santiago de Compostela sein. Dass sich die Wege dann, je näher man dem Ziel kam, bündelten, dass in Frankreich und Spanien einige Hauptrouten entstanden, ist nur natürlich. – Aber ist das der Jakobsweg?

Wer mit dem Jakobsweg nicht viel anfangen kann, tut dies in der Regel aufgrund der Dürftigkeit der historischen Quellenlage. – Es gibt keine altchristlichen Zeugnisse, die belegen würden oder wenigstens Hinweise darauf abgeben würden, dass Jakobus der Ältere in Spanien missioniert hat, nach seinen Tod in Jerusalem wieder nach Spanien überführt wurde und dort begraben ist. Es gibt eine Erzählung, nach der die damals bekannte Welt unter den Zwölfen in Missionsgebiete aufgeteilt wurde, und nach der Jakobus Spanien zugewiesen erhielt. Diese lässt sich aber nur bis höchstens zum 6. Jahrhundert zurückverfolgen und wurde überdies schon zu dieser Zeit nicht allgemein anerkannt. Das muss natürlich nicht heißen, dass es nicht trotzdem so gewesen sein könnte, Spanien kam sicher im 1., 2. Jahrhundert mit dem Christentum in Berührung, aber die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dies durch Jakobus geschah, ist sehr gering. Im Mittelalter hatte man keinen Zweifel an der Echtheit dieser Tradition, zur Zeit des Humanismus jedoch wuchs die Kritik daran. In derber aber treffender Weise hat Luther zum Jakobusgrab festgestellt: „Man waißt nit ob sant Jacob oder ein todter hund oder ein todts roß da liegt, … laß raisen wer da wil, bleib du dahaim.“ – Aber, ist mit den historischen Schwierigkeiten der Jakobsweg für uns erledigt?

Weiteres Nachforschen über den Jakobsweg fördert zu Tage, dass oft eminent politische Interessen mit dem Jakobuskult verbunden waren, Interessen, die man hinterfragen muss: Asturien in Nordwestspanien war der einzige Landstrich, der nicht vom Islam überrollt wurde, und gerade dort wurde das Jakobusgrab gefunden. Nur Zufall oder gezielte Aufwertung des politischen Selbstbewusstseins? - Der westliche Teil des Abendlandes war ohne große apostolische Traditionen im Vergleich zum Osten. Jakobus als Gegengewicht zu den Petrus-, Paulus- und Johannestraditionen? - Die einsetzende Reconquista, der der Jakobuskult religiös-politischen Legitimationen lieferte? – Auch das gehört zum Jakobsweg. Wäre es gut, dies einfach auszublenden?

So bleibt die religiös-spirituelle Erfahrung, die heute viele mit dem Jakobsweg verbinden.

Damals, 1993 bei der Ausstellung der Credencial in Roncesvalles sollten wir angeben, aus welchen Motiven wir uns auf den Weg gemacht hätten, aus sportlichen , religiösen oder kunsthistorischen Gründen. Obwohl auch die rein sportliche Leistung nicht von Pappe war, habe ich nur die beiden anderen Motive angegeben: Kunst und Kultur am Jakobsweg sind überwältigend, wenn auch oft zwiespältig, und an der religiösen Motivation kommt meines Erachtens niemand vorbei, auch wenn er sich als religiös völlig unmusikalisch bezeichnet. Religiös grundiert ist der Wunsch allein zu sein, zur Ruhe zu kommen, nachdenken zu können, Grenzen spüren, dem ganz Anderen zu begegnen, auch die Eigenart einer ganz anderen Kultur zu erspüren, Fremdes und Anziehendes neugierig zu erkunden, Herz und Augen offen zu halten. Immer wieder wird gefragt, warum man da nicht jeden beliebigen Weg nehmen könne? Meine Antwort: Die Vielen, die vor mir gingen, die mit mir gehen, die nach mir gehen werden, die glauben und hoffen, die sich selbst aufs Spiel setzen, bilden trotz unterschiedlichster Motivationen eine starke, pilgernde Gemeinschaft, die sich in diesem Weg unglaublich verdichtet, und in diese reihe ich mich ein. Allerdings werde ich gerade angesichts der Geschichte des Weges wachsam dafür bleiben, womit Begeisterung ausgelöst und Massen in Bewegung gesetzt werden können. Kritisches Nachdenken ist nicht verboten sondern gefordert. So werde ich auch weiter Teile des Weges gehen, werde noch einmal den ganzen Weg gehen, wenn sich mir die Möglichkeit bietet, mit etwas mehr Vorsicht und mehr Gelassenheit als damals, mit offenen Augen für die Überraschungen des Weges, und auch mit einem Schmunzeln über mich selbst und meine Verrücktheiten. – Das ist sicher nicht der Jakobsweg, aber mein eigener Jakobsweg.

Gerhard Schneider